Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, warum die Einrichtung der Wohnungen Ihrer Lieblings-Serien genau so aussieht, wie sie gezeigt wird? Schließlich haben sich die Set-Designer dabei ja durchaus ihre Gedanken gemacht. Und: Es lassen sich tatsächlich auch Rückschlüsse auf so manche Charaktere ziehen.
Serien wie „Sherlock“, „The Big Bang Theory“ oder „Modern Family“ sind bei vielen bekannt und beliebt. Die Charaktere und Geschichten begeistern und unterhalten uns auf dem TV-Bildschirm, egal ob via Streaming-Dienst oder im linearen Fernsehen. Was dabei oft in den sprichwörtlichen Hintergrund rückt, sind die Einrichtungen der fiktiven Wohnungen am Set. myHOMEBOOK hat einen Wohnpsychologen gebeten, sich das Interior-Design beliebter Serien genauer anzusehen – mit interessanten Erkenntnissen.
Übersicht
Was sagt die Einrichtung in Serien über die Charaktere aus?
Uwe Linke ist Wohnpsychologe, Buch-Autor und Paartherapeut aus München. Seit Jahrzehnten blickt er mit fachmännischem Auge in Wohnungen und analysiert die emotionalen Bedürfnisse, die dahinterstecken. Für myHOMEBOOK hat er das Set-Design von drei Serien unter die Lupe genommen, und zwar „Sherlock“, „The Big Bang Theory“ und „Modern Family“. Was der Wohnpsychologe darin sieht, verrät er hier.
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1. Sherlock
Sherlock ist eine britische BBC-Serie, in der es um den berühmten Detektiv Sherlock Holmes (gespielt von Benedict Cumberbatch) und seinen kongenialen Assistenten Dr. Watson (gespielt von Martin Freeman) geht. Im Grunde handelt es sich um eine moderne Fassung der Klassiker von Sir Arthur Conan Doyle, die die Kriminalfälle in das London des 21. Jahrhunderts bringen. Wie auch im Original wohnt Sherlock in der Londoner Baker Street, Hausnummer 221b zur Miete. Was die düstere und geheimnisvolle Wohnung so besonders macht, verrät unser Experte für Wohnpsychologie.

Uwe Linke: „Die Wohnung Sherlocks ist stark britisch geprägt – von wildestem Stil- und Mustermix mit starkem Hang zu historischen Idealen. Der Detektiv Sherlock ist ein schlauer Bücher-Nerd, der gerade in der Geschichte und Forschung die Quellen seiner Arbeit findet und auch moderne Technik kennt und nutzt. Dies steht im Gegensatz zu seiner klassischen, aber modernen und weltoffenen Erscheinung, die man mehr auf Reisen als versunken im karierten Großvater-Sessel mit Tonnen alter Bücher erwarten würde.“

„Realistisch ist die Wahl dieses Ambientes für den Filmcharakter. Mit moderner Ermittlungsarbeit hat das nichts zu tun, doch soll Sherlock auch bewusst aus dem Raster herausfallen und schrullig-verblüffend besser als die Polizei die Dinge durchschauen. Die Tatsache, dass alle Aufnahmen sehr dunkel gehalten sind, soll die Szenen einen mystischen Touch geben. Ein glatter Charakter in einer minimalistischen Wohnung wäre langweilig!“
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2. The Big Bang Theory
Vom düsteren London geht es ins sonnige Kalifornien, genauer gesagt in die Wohnung der Sitcom „The Big Bang Theory“, die in Pasadena, Los Angeles verortet ist. Diese spielt hauptsächlich in der Wohnung der Physiker und „Nerds“ Sheldon Cooper (Jim Parsons) und Leonard Hofstadter (Johnny Galecki) – oder direkt gegenüber, in der Wohnung von Penny (Kaley Cuoco), die eine Schauspiel-Karriere anstrebt und später im Verlauf der Serie mit Leonard zusammen ist. Fans der Serie wissen: Unterschiedlicher könnten die Charaktere – und damit auch die Wohnungen – kaum sein. Was haben sich die Set-Designer dabei gedacht?

Uwe Linke zur Einrichtung der Serie: „Die Physiker-WG ist ein zweckmäßiger Möbel-Misch-Masch mit einer Mixtur aus hochwissenschaftlicher Literatur und Technik einerseits und Jugendspielsachen andererseits. Pennys Wohnung entspricht moderneren Designs der 2000er-Jahre mit schrägen Farb- und Musterkombinationen. Penny ist die lebensnahe und emotional schlaue Selfmade-Frau mit überschaubarer Bildung.“

„Die Jungs mit Doktorgrad und hohen Wissenschaftsidealen wirken traumatisiert und weit von täglichen und banalen Lebensangelegenheiten entfernt. Sie leben in einer synthetischen Bubble. Das macht die Spannung im Format aus, dass diese Welten nur hier aufeinandertreffen und sich sogar zum gegenseitigen Nutzen vereinigen.“
„Ich bezweifle, dass das in der Realität tatsächlich passieren würde, weil es an der gegenseitigen Wertschätzung schon scheitern würde. Die Botschaft des Formats ist dennoch neben der Unterhaltsamkeit großartig: Beide verfolgen ihre eigenen hohen Ziele, nur auf unterschiedlichem Niveau. Beide scheitern irgendwie dabei, lernen aber persönlich dazu.“
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3. Modern Family
„Modern Family“ ist ebenfalls eine US-amerikanische Sitcom, die Comedy- mit Doku-Aspekten vermischt. Die Handlung dreht sich um die Familien von Jay Pritchett, seinem Sohn Mitchell Pritchett und seiner Tochter Claire Dunphy. Insgesamt erstreckt sich die beliebte Serie über 11 Staffeln und spielt zum Großteil in den Wohnungen der Pritchetts und Dunphys. Mit unserem Wohnpsychologen haben wir uns auf die Wohnung von Mitchell, seinem Partner Cameron und der gemeinsamen Tochter Lily beschränkt. Was sagt die Einrichtung über die Charaktere der Serie aus?

Uwe Linke: „Das Bild zeigt das Paar Mitchell und Cameron als Familie mit deren adoptierter Tochter Lily im Wohnzimmer. Die Einrichtung ist klassisch konservativ und könnte in jedem Mittelklasse-Haushalt mit leicht femininem Touch stehen. Angesichts der Familienkonstruktion mit zwei Männern könnte man Außergewöhnlicheres oder eine individuellere Art der Dekoration erwarten, doch zeigt eben diese brave Variante, dass die Botschaft der Normalität und Angepasstheit vermittelt werden soll. Die weiße Couch als Symbol der Unschuld, die grüne Wand als Zeichen des Neubeginns und das häufige Vorkommen von Holz soll die Natürlichkeit unterstreichen.“
„Die Pointen der Hauptfiguren entstehen gerade durch das Nicht-Zusammenpassen der oft etwas femininen Verhaltensmuster und der Dramaqueen Cameron. Im echten Leben halte ich es für nicht wahrscheinlich, dass diese zwei Männer ein Paar wären. Während Mitch immer wieder peinlich berührt von Cams Art ist und er meist nicht als schwul erkannt werden will, fällt Cam eben genau durch seine Affektiertheit auf und wird, scheinbar unfreiwillig, zum Clown. Die Einrichtung ist wohl ein Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Charakteren. Ich empfehle Paartherapie!“