
24. Juni 2025, 11:01 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wer sein eigenes Solardach nutzt, zahlt deutlich weniger für den Netzausbau – obwohl er gleichermaßen vom Stromnetz profitiert. Das sorgt zunehmend für Unmut. Die Bundesnetzagentur arbeitet aktuell an einer Reform, die Millionen Haushalte betreffen könnte – und das System grundlegend verändern würde. myHOMEBOOK hat darüber mit einem Verbraucherschützer gesprochen.
Steigende Strompreise belasten viele Haushalte. Ein wesentlicher Kostentreiber ist dabei der aktuelle Ausbau des Stromnetzes. Weil nicht alle Nutzer gleichermaßen zur Kasse gebeten werden, wächst die Kritik. Sogar eine Reform der Netzentgelte steht bevor. Aber warum sind manche von den Netzentgelten überhaupt ausgenommen? Wer kommt für die Kosten auf? Und welche möglichen Lösungen stehen zur Diskussion?
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Steigende Strompreise durch Netzausbau
Mit dem Umbau der Energieversorgung hin zu Sonne, Wind und Wasser steigt der Bedarf an Netzkapazitäten. Der Anschluss neuer Anlagen an das Stromnetz ist teuer – doch längst nicht alle, die das Netz nutzen oder potenziell beanspruchen, beteiligen sich gleichermaßen an der Finanzierung. Haushalte mit eigener Photovoltaikanlage etwa zahlen, abgesehen von einem geringen Grundpreis, nur dann Netzentgelte, wenn sie tatsächlich Strom aus dem Netz beziehen – auch wenn das Netz jederzeit bereitstehen muss.
Doch was hat es mit den Netzentgelten überhaupt auf sich? Tatsächlich sind davon viele Verbraucher direkt betroffen, denn alle Stromrechnungen enthalten einen Netzentgeltanteil. Aktuell machen diese Entgelte rund 28 Prozent des Endverbraucherpreises aus – Tendenz steigend. Die Entgelte dienen der Finanzierung des Stromnetzausbaus und werden von den Netzbetreibern erhoben.
Bundesnetzagentur will System reformieren
„Wir müssen das System reformieren, nach dem Netzentgelte erhoben werden“, stellt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur in einem Diskussionspapier klar. „Erstens wird die Zahl der Nutzer immer kleiner, die in voller Höhe Entgelte zahlen – bei gleichzeitig steigenden Kosten. Wir haben zweitens keine ausreichend wirksamen Signale, wie und wo Anlagen kostengünstig betrieben werden können, um einen unnötig teuren Ausbau der Netze zu vermeiden. Drittens gibt es im System heute keine Anreize, die flexibles Verhalten belohnen, eher im Gegenteil.“
Das Ziel der Bundesnetzagentur sei es, „die Netzentgeltsystematik zukunftsfähig zu machen und an die Herausforderungen der Energiewende anzupassen.“ Laut Müller stehe man dabei am Anfang eines „ergebnisoffenen“ Entscheidungsprozesses.
Wer soll was zahlen?
Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die bisherige Regelung, wonach Betreiber von Solar- oder Windparks sowie private PV-Anlagen für die Einspeisung ihres Stroms ins Netz keine regulären Netzentgelte entrichten. Lediglich ein Aufschlag für spezielle Nutzungen wird fällig – doch auch dieser könnte mit der geplanten Reform entfallen oder verändert werden.
Die derzeit gültige Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) läuft 2028 aus, muss aber bereits früher überarbeitet werden. Bereits 2021 hatte der Europäische Gerichtshof eine Neuregelung verlangt. Ab 2026 soll ein neues Entgeltsystem greifen, das die Bundesnetzagentur derzeit vorbereitet.
Mögliche Modelle für die Reform
Das Diskussionspapier der Bundesnetzagentur zeigt erste mögliche Reformansätze auf. Dazu gehören unter anderem:
- Eine stärkere finanzielle Beteiligung von Stromerzeugern wie Solar- und Windparks an den Netzentgelten – ähnlich der Praxis im Gasbereich.
- Einführung eines einmaligen Baukostenzuschusses bei Netzanschlüssen als Alternative zur laufenden Entgeltzahlung.
- Ein verpflichtender Grundpreis, der auch für Haushalte mit Solaranlagen gilt – unabhängig davon, wie oft sie tatsächlich Netzstrom nutzen.
- Umstellung vom bisherigen Leistungspreis auf einen Kapazitätspreis: Netzanschlussnehmer würden dann ihre benötigte Kapazität langfristig im Voraus buchen, was eine effizientere Netzplanung ermöglicht.
- Einführung dynamischer Netzentgelte, die sich am aktuellen Auslastungsgrad des Netzes orientieren. Voraussetzung dafür wäre allerdings eine weitreichende Digitalisierung der Netzinfrastruktur – derzeit in Deutschland kaum realisiert.
Das sagt ein Verbraucherschützer dazu
Auch die Verbraucherzentralen verfolgen die Reformbestrebungen aufmerksam. myHOMEBOOK befragte hierzu Tobias Ptok, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. „Sie sprechen einen sehr wichtigen Prozess an“, sagt er mit Blick auf die Weiterentwicklung der Netzentgeltsystematik – nämlich den „AgNeS-Prozess“. Dabei geht es um die faire Verteilung der Netzkosten.
Ptok benennt die aktuelle Schieflage klar: „Zurzeit werden die Stromnetzentgelte aktuell nur von den Endverbrauchern entrichtet. Eine Kostenbeteiligung der Einspeiser wird diskutiert.“ Auch wenn die Verbraucherzentrale dazu noch keine abschließende Haltung entwickelt habe, erkenne man die Herausforderungen.
„Für eine Beteiligung könnte sprechen, dass Haushalte, die keine PV-Anlage besitzen, bei den Netzentgelten entlastet werden.“ Doch es gibt auch Bedenken: „Gegen eine Beteiligung könnte sprechen, dass die Installation von EE-Anlagen (Erneuerbare-Energie-Anlagen) unattraktiver wird, insbesondere für Kleinanlagen“, warnt Ptok. Zudem könnte bei größeren Projekten der Strompreis oder die EEG-Umlage steigen.

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Reformdiskussion läuft bis Ende Juni
Konkrete Beschlüsse gibt es bislang nicht. Noch bis Ende Juni läuft die öffentliche Diskussion über die künftige Ausgestaltung der Netzentgelte. Ziel ist es, Lösungen zu finden, die sowohl eine gerechte Kostenverteilung sicherstellen als auch den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht behindern. Wie sich das letztlich auf die Verbraucher auswirkt – ob mit oder ohne eigene PV-Anlage – wird sich zeigen.