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Wohnpsychologe im Interview

„Spannend ist immer das, was fehlt“

Glücklich wohnen
Durchdacht und aufgeräumt, oder doch eher unkonventionell – welche Form des Wohnens glücklich macht, ist immer auch Geschmacksache Foto: Getty Images
Odett Schumann
Autorin

25.05.2021, 13:22 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Was macht eine Wohnung aus, in der wir uns wohlfühlen? Welchen Stellenwert hat dabei die Einrichtung? Und wie findet man den Stil, der zu einem passt? Ein Wohnpsychologe gibt wertvolle Tipps im myHOMEBOOK-Interview.

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Kann Wohnen über unser persönliches Glück entscheiden? Uwe Linke ist Wohnpsychologe und kennt die Antwort. Sie lautet: ja! Woher er das weiß? Er analysiert seit 30 Jahren emotionale Bedürfnisse und schafft Atmosphäre zum Wohlfühlen. myHOMEBOOK hat er verraten, wie glückliches Wohnen geht.

myHOMEBOOK: Wie genau ermitteln Sie die Psychologie einer Wohnung?

Uwe Linke: „Bei meiner Arbeit versuche ich, die Psychologie einer Wohnung zu „lesen“. Das hilft mir, mir ein Bild von dem Bewohner zu machen. Dabei sehe ich mir die Farben, die Raumnutzung sowie alle Details der Wohnung an. Für meine Arbeit ist es dabei unerheblich, ob der Kunde bei meiner Wohnungsbegehung dabei ist oder nicht. Aber es ist in jedem Fall hilfreich, um festzustellen, ob ein Einrichtungsstil Ausdruck der Persönlichkeit ist oder eher eine Sehnsucht, also das Gegenteil, ausdrückt.“

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Anhand welcher Indizien lesen Sie die Psychologie und welche Aufschlüsse ziehen Sie aus Ihnen?

Linke: „Zunächst schaue ich mir das Konzept an wie ein Raum eingerichtet wurde und wie die verschiedenen Räume genutzt werden. Ich achte auf Priorisierungen, das Zusammenspiel von Oberflächen und Materialien und wie man sich in einem Raum fühlt. Dabei offenbaren Farben, welche Gefühle Menschen zeigen, die Dichte der Gegenstände im Interieur deutet das Bedürfnis nach Nähe des Bewohners an und die Auswahl zeigt die Lebenswirklichkeit und Wahrnehmung der Umwelt. Was allerdings besonders spannend ist, ist das, was fehlt. Und natürlich geben jede Art von Bildern viel Aufschluss über eine Person. Selfies offenbaren ein Selbstwertthema, Freunde zeigen Verbundenheit und abstrakte Kunst deutet oft auf eine persönliche Distanz hin.“

Wohnpsychologe Uwe Linke
Uwe Linke ist nicht nur Wohnpsychologe, sondern auch Buchautor und Paartherapeut Foto: Uwe Linke

Wer sind Ihre Kunden und welche konkreten Anliegen haben diese?

Linke: „Im privaten Bereich treffe ich oft auf Menschen, die auf der Suche nach einem bewussten Umgang und einem authentischen Lebensraum sind. Grundsätzlich wohnen wir ja immer irgendwie und sind entsprechend auch immer irgendwie eingerichtet. Aber die wirklichen Themen, die Menschen bewegen, sind das Wohlfühlen, Abschalten können, Kraft tanken und Zurückziehen. Oftmals geht es aber auch einfach um eine gute Lichtplanung oder ein Gestaltungskonzept, welches die emotionalen Bedürfnisse des Bewohners befriedigt. All das sind Dinge, die eine Wohnung oder ein Haus zu einem echten Zuhause machen.“

„Und im gewerblichen Sektor sind es vor allem Büros, Hotels, Restaurants, Shops wie auch Praxen. Für meine Auftraggeber stehen dabei das Raumgefühl, Farbkonzepte, Beleuchtung und Wohlfühlen im Generellen im Vordergrund. Zum eigentlichen Gestaltungsentwurf kommt auch noch die Marke als Konzept einer Identität der Firmeninhaber dazu. Also all das, was über die Funktion hinausgeht und ein magisches Interieur schafft.“

Kann man bestimmten Typen eine bestimmte Art zu Wohnen zuordnen?

Linke: „Ich versuche, in meiner Arbeit keine pauschalen Erfahrungen zu verarbeiten oder anzuwenden. Als professioneller Berater und Coach sage ich immer: „Du darfst eine Theorie dazu haben, wie Menschen ticken, aber du darfst die Theorie nicht heiraten, sondern musst sie immer an der Realität überprüfen und bereit sein, sie zu berichtigen.“

Was braucht es zum glücklich(er) wohnen und worauf muss man achten?

Linke: „Im ersten Schritt geht es vor allem um das Aneignen, also sich seine Wohnung und seinen Besitz zu Eigen zu machen. Dafür muss man Zeit investieren. Natürlich muss es auch persönlich sein, damit ersichtlich wird, was uns ausmacht und was für uns von Bedeutung ist. Und im letzten Schritt sollte es unbedingt auch authentisch sein. Denken Sie immer daran: richten Sie sich nicht für Ihren Besuch ein, sondern für Ihr eigenes Wohlbefinden – gern auch mit Mut zu ungewöhnlichen Lösungen.“

Welche Fehler machen viele Menschen bei Ihrer Einrichtung?

Linke: „Einigen Menschen gelingt es nicht sonderlich gut, sich ein gemütliches Zuhause einzurichten. Oder aber es fehlt Ihnen an innerer Entschlusskraft sich von Provisorien zu verabschieden und sich stattdessen auf das Wesentliche zu konzentrieren. Denn so sehen Wohnungen leider oft aus. Oftmals richten wir uns auch unbewusst nach Trends aus. Ich stelle meinen Kunden also ungewöhnliche Fragen wie zum Beispiel: Wie wollen Sie sich in diesem Raum fühlen? Natürlich gibt es grundsätzlich einen funktionellen Bedarf, den ein Raum erfüllen muss.“

„Darüber hinaus gibt es aber auch ein emotionales Bedürfnis, das gestillt werden muss. Denn der Mensch will zur Ruhe kommen oder sich geborgen fühlen. Genau an diesem Punkt setze ich an: wir erarbeiten gemeinsam einen roten Faden, wie jeder für sich Geborgenheit finden kann. Dabei helfen uns Farben, Oberflächen und Materialien. Ein Fehler ist es höchstens, dass wir uns zu schnell auf Produkte stürzen, von denen wir glauben, dass sie uns glücklich machen. Sicherlich gibt es tolle Produkte. Doch dann stellen sich Fragen: Passt es zu mir? Und wenn ja, in welcher Ausführung?“

Gibt es bestimmte Farben, Formen, Materialien beim Wohnen, die glücklich machen und auch welche, die eher unglücklich machen?

Linke: „Als Therapeut und Einrichter kann ich nur wiederholen, dass das Herauszufinden eine individuelle Aufgabe ist. Bei Farben beispielsweise läuft unsere Wahrnehmung auf zwei Kanälen: zunächst einmal hat Farbe auf alle Menschen eine objektive Wirkung. Aber natürlich gibt es auch noch die subjektive Wirkung. Diese basiert auf unseren Erfahrungen, die wir oftmals bereits in Kindertagen gemacht haben und deswegen auch unbewusst bleiben, weil sie über die Jahre in Vergessenheit geraten sind. Eine Kundin von mir mochte beispielsweise kein Rot. Erst nach langen Gesprächen ist ihr eingefallen, dass sie als kleines Mädchen zusehen musste, wie das Haus Ihrer Eltern abbrannte. Sie hatte es verdrängt, aber Rot als gefährlich abgespeichert.“

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Und welche Rolle spielt Ordnung beim Thema „Glücklich Wohnen“?

Linke: „Für einige Menschen spielt sie eine essentielle, für andere eine untergeordnete Rolle. Bei Ordnung scheiden sich die Charaktere. Sicherlich trägt Ordnung dazu bei, dass man eher zur Ruhe kommt, weil eine geordnete und übersichtliche Umgebung auch innerlich sortiert. Ich persönlich werde erst im Chaos richtig kreativ. Auch jeden Autor bringt das weiße Blatt Papier an den Rand der Verzweiflung. Solange wir Ordnung mit Disziplin und damit mit „Richtigkeit“ assoziieren, bleibt es wohl des Bürgers Pflicht ordentlich zu sein. Aber man muss sich ja nicht daran halten.“

Was ist, wenn Paare zusammenziehen und zwei verschiedene Einrichtungsstile aufeinanderprallen? Kann man trotzdem glücklich wohnen?

Linke: „Nach meiner Erfahrung bringen unterschiedliche Sichtweisen und Anschauungen erst die nötige Spannung in eine Einrichtung. Während der Barock die Symmetrie bevorzugte und keine Spannung erlaubte, müssen wir heute lernen, mit weniger Raum auszukommen, andersartige Ideen zu akzeptieren und Kompromiss eingehen lernen. Unsere Wohnung und deren Einrichtung sind eine wunderbare Herausforderung, um in Beziehungen zu reifen und über sich hinauszuwachsen.“

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