
11. Juli 2025, 18:04 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Klimaanlagen sind auch hierzulande allmählich auf dem Vormarsch – doch sie verbrauchen Unmengen an Energie. Eine neu entwickelte Farbe könnte hier ansetzen. Sie kann nämlich ganze Gebäude abkühlen – ganz ohne Strom. Was steckt dahinter?
Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat eine innovative Farbe auf Zementbasis entwickelt, die Gebäude passiv kühlen kann. Dahinter stecken physikalische Prozesse, es ist keine weitere Energiezufuhr nötig. Eine Kühlung um mehrere Grad Celsius soll damit möglich sein. Die ersten Tests zeigen bereits beeindruckende Ergebnisse.
Folgen Sie jetzt myHOMEBOOK bei WhatsApp
Gebäude mit Farbe kühlen – Alternative zu Klimaanlagen?
In vielen Regionen der Welt stoßen klassische Kühlsysteme zunehmend an ihre Grenzen – entweder wegen hoher Kosten, mangelnder Effizienz oder negativer Umweltfolgen. Auch hierzulande steigt die Nachfrage nach Klimaanlagen, vor allem in den heißen Sommermonaten. Die Farbe mit dem Namen CCP-30 könnte künftig eine nachhaltige Alternative bieten.
Die im Juni 2025 im Fachmagazin „Science“ veröffentlichte Studie beschreibt die Entwicklung einer innovativen passiven Kühlfarbe, die sowohl Strahlungs- als auch Verdunstungskühlung kombiniert. Diese Farbe basiert auf einer modifizierten zementbasierten Struktur mit Nanopartikeln, die hohe Solarreflexion, minimale Wärmeleitung und effektive Wasserverdunstung ermöglichen. Die Farbe kann auch Wasser aus der Umgebung aufnehmen und ihre Kühlleistung sogar bei feuchtem Wetter aufrechterhalten.
So funktioniert die innovative Kühlfarbe
Zwei physikalische Effekte sorgen für den besonderen Kühleffekt: Zum einen nutzt CCP-30 die sogenannte „radiative Kühlung“, bei der Wärme in Form von Infrarotstrahlung an die Umgebung abgegeben wird. Zum anderen kommt „evaporative Kühlung“ zum Einsatz: Gespeichertes Wasser verdunstet und entzieht dem Gebäude dabei Wärme. Im Grunde handelt es sich dabei um einen ähnlichen Effekt wie beim Schwitzen. Diese Kombination macht die Farbe gerade in Gebieten mit hoher Luftfeuchtigkeit besonders effizient.
Zentral ist dabei ein schwammartiges Material im Inneren der Farbe: Calciumsilikathydrat mit zahlreichen Mikro-Poren kann Wasser speichern, ohne aufzuquellen oder zu zerfallen. Zusätzlich enthält CCP-30 reflektierende Partikel aus Bariumsulfat, die das Sonnenlicht nahezu vollständig zurückwerfen. Polyvinylalkohol und Lithiumchlorid dienen als Wasserbinder und verstärken den Verdunstungseffekt.
Auch interessant: „Weißeste Farbe“ mit kühlendem Effekt entwickelt – Forscher im Interview
Selbstreparierende Eigenschaften und hohe Stabilität
Die Farbe punktet nicht nur mit ihrer Kühlleistung, sondern auch mit ihrer Langlebigkeit. Kleine Schäden im Anstrich können sich selbst reparieren – ähnlich wie bei Beton, der unter Feuchtigkeit nachhärtet. Wird die Oberfläche beschädigt, nimmt sie Feuchtigkeit aus der Luft auf und verschließt feine Risse automatisch. Auch langfristig bleibt die Struktur stabil – ohne Abplatzungen oder Aufquellen.
Erfolgreiche Tests unter realen Bedingungen
In Feldtests in Singapur zeigte die Farbe eine deutlich bessere Kühlleistung im Vergleich zu handelsüblichen weißen Farben. Pilotprojekte demonstrierten konstante Energieeinsparungen unter verschiedenen Wetterbedingungen. Theoretische Modelle unterstützten diese Ergebnisse.
CCP-30 wurde unter realen Bedingungen erprobt: Drei baugleiche Häuser wurden mit unterschiedlicher Farbe gestrichen – mit herkömmlicher weißer Farbe, mit reflektierender Spezialfarbe und mit CCP-30. Das Ergebnis war deutlich: Im CCP-30-Haus war es tagsüber bis zu sieben Grad kühler, und der Energieverbrauch der Klimaanlage sank um bis zu 40 Prozent – bereits innerhalb eines Monats.
Und auch langfristig zeigte der Anstrich keine Einbußen: Weder starke Sonneneinstrahlung noch hohe Luftfeuchtigkeit konnten der Farbe etwas anhaben. Noch ist CCP-30 allerdings nicht für den Markt verfügbar. Die Forscher rechnen jedoch damit, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern könnte.

„Weißeste Farbe“ mit kühlendem Effekt entwickelt – Forscher im Interview

Neuer Dämmstoff speichert Wärme – zehn Mal mehr als Beton

Lässt sich mit einer gefrorenen Wasserflasche wirklich eine Wohnung kühlen?
Umweltfreundlich, kostengünstig und zukunftsfähig
Laut den Wissenschaftlern ist das Material günstig herzustellen, mechanisch belastbar und lässt sich mit bekannten Zementtechniken verarbeiten. Auch aus ökologischer Sicht überzeugt die Innovation: Obwohl bei der Herstellung vergleichsweise viele Stoffe zum Einsatz kommen, lasse sich langfristig durch den geringeren Energieverbrauch deutlich CO₂ einsparen.