
3. Mai 2025, 6:45 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Permakultur auf dem Balkon? Kann klappen! myHOMEBOOK hat sich mit Bio-Balkon-Gärtnerin Birgit Schattling über die Chancen, Besonderheiten und die besten Tipps für nachhaltiges Gärtnern in Töpfen, Kästen und Kübeln unterhalten.
Zwischen summenden Wildbienen, blühenden Ringelblumen und leuchtenden Tomaten kann auf einem Balkon ein kleiner Kosmos aus Vielfalt, Genuss und Nachhaltigkeit entstehen. Ein Permakultur-Balkon mag ein wenig chaotisch wirken, doch in Wahrheit hat er System. Permakultur ist ein Konzept, das darauf abzielt, nachhaltige, sich selbst regulierende, widerstandsfähige Systeme zu etablieren, die auf Kreisläufen und einem bewussten Umgang mit Ressourcen beruhen. „Auch auf kleinem Raum kann man permakulturell wirtschaften – vorausgesetzt, man passt die Gestaltung den Gegebenheiten an. Das geringe Platzangebot ist dabei der größte begrenzende Faktor“, sagt Birgit Schattling, die auch Online-Kurse rund ums Balkongärtnern anbietet.
Zuerst beobachten
Der erste Schritt zur Permakultur auf dem Balkon ist Beobachtung: Wie ist der Lichteinfall im Tages- und Jahresverlauf? Woher kommt der Wind? Gibt es Schatten durch Bäume oder Gebäude? Da sich der Standort des Balkons nicht ändern lässt, ist es umso wichtiger, die vorhandenen Verhältnisse genau zu beobachten.
„Wer zum Beispiel morgens gerne draußen sitzt, kann schauen, ob es eine Ecke gibt, die zu dieser Zeit Sonne abbekommt – und dort gezielt eine Sitzgelegenheit einrichten. Gleiches gilt für die Abendnutzung. So lässt sich der vorhandene Raum sinnvoll an die eigenen Gewohnheiten anpassen“, erklärt Schattling.
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Wasserversorgung
Auch die Wasserversorgung auf dem Balkon muss für die Permakultur geplant werden. Mit Außenanschluss ist das einfach – alle anderen brauchen kreative Lösungen. Die simpelste Möglichkeit bei offenen Balkonen ist, Regenwasser mithilfe von Eimer, Gießkannen oder gespannten Planen zu sammeln.
Effektiver ist ein ans Fallrohr angeschlossener Regenwassersammler. Auch möglich: Mithilfe eines Adapters an die Armaturen von Küche oder Bad einen Schlauch anzuschließen und ihn durch Tür oder Fenster zu führen.
Zonen planen
Ein zentraler Gedanke der Permakultur ist die Zonierung: Flächen werden dabei nach ihrer Nutzungshäufigkeit und Funktion gegliedert. Auf den Balkon lässt sich das herunterbrechen, etwa indem man eine schwer zugängliche Ecke als „Wildniszone“ begreift, in der der Zufall mitgärtnert. Wildpflanzensamen, die durch Wind oder Vögel kommen, dürfen dort ungestört wachsen. Der aktive Pflegebereich hingegen liegt dort, wo man sich oft aufhält und bequem gärtnern kann.
Groß denken – auch bei den Töpfen
Ein typischer Anfängerfehler: zu kleine Pflanzgefäße. „Man sollte die größtmöglichen Pflanzgefäße wählen, wenn man langfristig Freude haben will“, betont die Expertin. Sie empfiehlt stabile Gefäße mit Wasserspeicher, gerne auf Rollen. Wer upcyceln möchte, könne auch bei Restaurants und Imbissen nach großen Lebensmittelbehältern fragen, oder günstige Secondhand-Töpfe durch Kleinanzeigen und Tauschringe bekommen.
Ein Gestaltungsprinzip in der Permakultur ist das Schichten und Stapeln. Gerade für den begrenzten Platz auf dem Balkon ist das räumliche und zeitliche Übereinanderlegen hilfreich. Räumlich lässt sich mit vertikalem Anbau etwa mit Pflanzsäulen, Gittern oder Ampeln das Platzangebot erheblich aufstocken. Zeitlich stapeln meint hier vor allem den Anbau von Wintergemüse.
Geeignete Pflanzen für Permakultur auf dem Balkon
In der Permakultur geht es um Vielfalt und Dauerhaftigkeit. Deshalb sind sogenannte Permaveggies – also mehrjährige essbare Pflanzen – besonders beliebt. Dazu zählen etwa Ewiger Kohl, Hirschhornwegerich, Sauerampfer, Winterheckenzwiebel oder Löffelkraut. Sie liefern nicht nur zuverlässig Ertrag, sondern überstehen auch Frost.
Wildpflanzen haben bei Birgit Schattling einen besonderen Stellenwert: „Ich baue gezielt Giersch, Löwenzahn und Spitzwegerich auf meinem Balkon an – denn das sind echte Kraftpakete, die wenig Pflege brauchen, essbare Blätter mit hoher Vitalstoffdichte liefern und Lebensraum und Nahrung für Nützlinge bieten.“
Auch klassische Gemüse wie Tomaten, Zucchini und Feuerbohnen eignen sich gut. Letztere wachsen im Handumdrehen in die Höhe, bieten Sichtschutz, haben hübsche Blüten und ziehen Bestäuber an. Im Winter können Grünkohl, Palmkohl, Feldsalat oder Asiasalate für frisches Grün auf dem Teller sorgen.

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Kreisläufe bewusst gestalten
Permakultur bedeutet auch, den Kreislaufgedanken in den Alltag zu integrieren – vom Saatgut bis zur Ernte und zurück. Schattling erzählt: „Ich habe zum Beispiel Samen von wilder Rauke in Berlin gesammelt, auf dem Balkon ausgesät, Blätter geerntet, die Pflanze blühen lassen, Bienen angelockt, später die Samen geerntet – und im nächsten Jahr wieder ausgesät.“ So entsteht mit der Zeit eine angepasste, standorttaugliche Pflanze. Auch Küchenabfälle und Pflanzenreste vom Balkon lassen sich im Sinne der Kreisläufe durch Kompostierung, etwa durch Wurmkomposter oder Bokashi-Eimer wieder dem System zuführen.

Extra-Tipp: Balkontagebuch führen
„Wer seine Erfahrungen mit der Sonneneinstrahlung, Wind und Wetter, mit Saatgut und Pflanzgut festhält, erkennt mit der Zeit Muster. Dieses Wissen lässt sich nutzen, um im nächsten Jahr Pflanzzeitpunkte, Standorte oder Pflegeroutinen zu optimieren.“